Versuch über die sogenannte
"künstlerisch-biografische Aggression"



In wie weit ein Erinnern über Affekthandlungen von Zerstörungen bzw. Vernichtungen in den frühen Jahren (ca. 1964 - 1977) einzelnen Symptomen zugerechnet werden sollte, bleibt hier im Dunkeln. Auch soll eine Mehrzahl von Verhaltensweisen, besonders aus dem Jahr 1966, nicht dafür herhalten, diese "Wunden der Seele" als eine Art Stigmata innerhalb längerer Identitätskrisen zu deuten -, viel mehr scheinen einige Momente in den adoleszenten Entstehungsprozessen wie Selbstwert und Selbstachtung sich nicht genügend stabilisiert zu haben.

Es gab Situationen innerer Verlassenheit, Gefühle der Leere, körperliche und seelische Bedrohungs-Szenarien. All diese Zeichen berührten punktierend Lebenslinien innerhalb der künstlerischen Biografie, die immer wieder von agressivsten Selbstverletzungen und Vernichtungsaktionen eigener Arbeiten unterbrochen wurden. In all den zerstörenden mit teils heftigster Brutalität ausgeführten Aktionen gegen die eigenen Kunstobjekte schien ein solch tief agierender "Dissoziations- bzw. Spaltungsvorgang" in mir geatmet zu haben. Jegliches Empfinden einer Trauer oder unbewusster Schuldgefühle wurde nicht hervorgerufen.

Die Entladung, "etwas abgetankt" zu haben, machte quasi selbstbefriedigenden Impulsen platz, die aber bald von depressiven Gefühlen abgelöst wurden. Auch aus späteren Phasen der künstlerischen "Existenz" erscheinen mir rhizomatische Elemente bedeutsam, die sich in unverarbeiteter Weise auf einzelne Wahrnehmungsebenen gelegt haben, um bei diffusen Gefühlen wie Euphorie oder Kränkung affektive Besetzungen zu steigern, die aber oft in Enttäuschungen und Depressionen endeten.

So spricht einiges auch für ein ambivalentes Spannungsverhältnis zwischen "Real- und Idealselbst", wodurch Symptomen bzw. einer unzureichenden Integration dieser „Überich-Substruktur“ Vorschub geleistet wurde. Spiegelte die Bezeichnung "zyklothyme Störung" für jene Verhaltensweisen nur einen psychiatrischen Code wider, so blieb dem künstlerisch-biografischen Selbst in seinen unterbewussten Gängen der Aggression und der Zerstörung möglicherweise nur noch die manisch-entwertende destruktive Selbstauflösung in die Leere des Verschwindens. Aus diesen Resten kam ein anderes Objekt ans Licht: "letzter Lappenberg".

Henning Brandis, Berlin - Charlottenburg, 2007